„Aus dem Leben gegriffen“
Göttinger Tageblatt - Artikel vom 8. Juli 2022 von Peter Krüger-Lenz - Zur Ausstellung im Weißen Saal des Künstlerhauses
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«Weit entfernt und doch so nah»
Gedächtnisspuren in Bildern und Collagen
Charlotte Geister und Holger Walleck in der Torhaus-Galerie
Geschrieben von Tina Fibiger
Kategorie: Rezension
Erstellt: 22. Februar 2020
Schon das Ausstellungsplakat in der Torhaus-Galerie hat viel zu erzählen. Auch wenn sich im Hintergrund der flimmernden Pastelllandschaft eine Nebelwolke auszubreiten scheint, wird sie die malerischen Momentaufnahmen von Holger Walleck nicht eintrüben. Es kommt dabei zu einer weiteren inspirierenden Betrachtungsweise, zu der Charlotte Geister die Besucher in der Torhaus-Galerie mit einer Collage anstiftet, die an ein vielfarbiges Spinnennetz erinnert. Alltägliche Objekte haften an diesem Labyrinth von Nähten und verschlungenen Fäden, nach denen die Gestalt im Hintergrund greift, Auf ihre Weise markieren beide Arbeiten das Forschen in Erinnerungsspuren, das Charlotte Geister und Holger Walleck mit dieser gemeinsamen Ausstellung und dem Leitmotiv „Weit entfernt und doch so nah“ verknüpfen. Beide widmen sich in Gemälden, Objekten und Assemblagen prägenden Erlebnissen und Erfahrungen von früher, die sie in eine assoziative Zeitreise verwandeln.
Bei dieser Zeitreise begegnen sich unterschiedliche Techniken und Ausdrucksformen, in denen sich die Erinnerungen episodenhaft widerspiegeln und in eine neue Erzählung münden. Den Blick auf eine blasse Gebäudesilhouette, wie ihn Holger Walleck malerisch imaginiert, wird durch bewegende Farbinseln kontrastiert. Die dunkle Fläche im Vordergrund, die an eine schlammige Pfütze denken lässt, mag sich anderswo befinden haben, auch der Fisch, der hier durch luftiges Gelände treibt, durch Kleingärten oder das Gelände an einem Bach. Aber wie in vielen anderen Bilderzählungen verwebt der Künstler verschiedene Schauplätze wie Fundstücke, die auf der Leinwand ein assoziatives Eigenleben entwickeln. Das kann der struppige Wildwuchs an einem Bachlauf sein, die Aussicht auf Schiffe, die den Hamburger Hafen ansteuern oder das gackernde Huhn, das sich in den Vordergrund einer Ereignislandschaft schiebt. Auch Textfragmente verwebt der Künstler mit den Motiven, die seine Erinnerungen an den kleinen Jungen in der zünftigen Lederhose prägen, der sich an sein Lieblingskuscheltier klammert oder neugierig den ländlichen Wildwuchs durchstreift. An seiner Bilderzählung „Schale der Erinnerung“ haftet der Satz „Es gibt keinen Weg zurück“, der auch den Freiraum markiert, in dem sich seine malerischen Reflektionen entfalten. Im Rückblick stellen sich die Ereignisse natürlich anders dar, wie sie von späteren Erfahrungen und Einsichten eigefärbt werden, aber das Gedächtnis lässt sie auch mit der zeitlichen Distanz nicht einfach verstummen, weil sie auf ihre Weise immer noch diese berührende Wirkung haben und die Wahrnehmung bereichern
Es sind auch bei Charlotte Geister fragmentarischen Momente, aus denen sie Erinnerungsspuren verdichtet und künstlerisch befragt. Aber anders als bei Holger Walleck, wo die Motive sich für den Betrachter oft ganz unmittelbar öffnen, erschließen sich viele ihrer Collagen wie in einem Labyrinth über kleinste Markierungen und subtile Wegweiser, in die sich der Blick vertiefen muss. Sei es in Ausrisse aus alten Biologiebüchern, Stadtplänen oder Atlanten mit den gespiegelten Schriftzeichen, die nicht lesbar sein wollen und manchmal wie ornamentale Verzierungen anmuten. An vielen haften die Spuren von Nadel und Faden, um gebrochene Muster und strenge Linien zu bilden. Nur scheinbar unberührt davon mutet diese kleine Mädchengestalt an, die sich in vielen Collagen abzeichnet. Sie wird zur zentralen Spurenleserin in einer terra incognita, die sich manchmal sogar verträumt darstellt aber oft eben auch unwirtlich und befremdend. Es ist eine widersprüchliche Erfahrungswelt, für die Charlotte Geister eine Reihe von Collagen komponiert hat, die verschiedene Leitmotive bekommen haben. In der Reihe mit dem Titel „kein Kinderspiel“ geht es um das Kind, das mit einer komplexen Welt der Schriftzeichen und ihrer Bedeutung zurechtfinden muss oder in der Natur- und Pflanzenwelt unterwegs ist, um dort mit Vokabel und Erklärungen aus dem Lehrbuch konfrontiert zu werden. In der Reihe „Sommerfrische“ verbindet Charlotte Geister alte Fotografien von einem Ferienaufenthalt mit Zeichnungen von Gegenständen und Gesichtern, die in der Aufnahme längst verblasst sind und sie jetzt wie Gedächtnissplitter sichtbar umkreisen. Ihre Spurensuche haftet sich auch an Erziehungsmuster und Rollenzwänge, mit denen Mädchen früher traktiert wurden. Die Gestalt auf der grünen Wiese glaubt sich in ihrem Sonntagskleid ungesehen zwischen Blumen und Büschen. Die Ordnungsrufe, was manierliches Benehmen angeht, hat die Künstlerin in ein kleines Schauspiel verwandelt. Wie fügsame Marionetten schweben verschiedene Puppenkleider an einem Geäst der Decke. An ihnen haften die typischen Zuschreibungen über das Wohlverhalten, das brav und höflich, sittsam und sauber, folgsam, lieb und tüchtig zu sein hatte. Zum beschwingenden Kontrast wird das schwebende Objekt, das den Titel „Wolkenkuckucksheim“ bekommen hat, wo sich zwischen reich verzierten Vogelfedern auch zwei kleine weiße Häuschen eigenistet haben. Aber auch zwischen den Motiven, die von dunklen Buchstaben dominiert werden, von Zutaten aus dem Biologielehrbuch oder dem Gewirr von Linien auf einer Landkarte finden sich in den collagierten Gedächtnisspuren verträumte Momente von Kindheit. Durch Schichten von Text- und Bildbausteinen und wucherndes dringt das Motiv aus einem Kinderbuch das auf einen ganz besonders freundschaftlichen Moment und vielleicht sogar auf eine erste Verliebtheit deutet. Natürlich geht auch in dieser Collage nicht um eine eindeutige Zuordnung, sondern um eine vielstimmige Erzählung, in der sich Bruchstücke von Erinnerungen neu zusammenfinden. Dabei lässt sich ebenfalls Ausschau halten nach weiteren Assoziationen in der künstlerischen Korrespondenz von Charlotte Geister und Holger Walleck und ihrem gemeinsamen Leitmotiv „weit entfernt und doch so nah“.
Die Ausstellung «Weit entfernt und doch so nah» ist noch bis zum 15. März 2020 in der Torhaus-Galerie am Stadtfriedhof zu sehen. Die Ausstellung ist Freitags bis Sonntags von 15 bis 17 Uhr geöffnet. Im Rahmen dieser Ausstellung findet am 1. März um 17.30 Uhr ein Konzert mit dem Ensemble «VOICES» statt.. Karten für das Konzert gibt es im Vorverkauf in der Tourist-Information zum Preis von 9 Euro.
Die Kunst der Erinnerung
Torhaus-Galerie: Ausstellung mit Werken von Holger Walleck und Charlotte Geister eröffnet
Udo Hinz schreibt im Göttinger Tageblatt am 15.02.2020
Erinnerungen an die Kindheit werden im Alter immer präsenter – das Langzeitgedächtnis ersetzt das Kurzzeitgedächtnis. Die Göttinger Künstler Holger Walleck und Charlotte Geister thematisieren beide seit ein paar Jahren in ihren Werken Erinnerungen aus ihrem Leben. Unter dem Titel „Weit entfernt und doch so nah“ finden sie jetzt zu einer sehenswerten Doppelausstellung in der Torhaus-Galerie zusammen. Am Freitag wurde die Ausstellung im Beisein vieler Kunstinteressierter eröffnet – musikalisch umrahmt von Johanna Diener mit Miniaturen für Solo-Violine.
„In diesen Bildern geht es um Erinnerungen aus der Kindheit, die uns geprägt haben“, so der Göttinger Kunstpädagoge Hans-Jürgen Leffler in seiner Einführung. „Ferne und Nähe lassen sich als eine dialektische
Einheit sehen.“ Die Künstler hätten in einem Gespräch eher zufällig erfahren, dass sie sich mit der gleichen Thematik beschäftigen – da bot sich eine gemeinsame Ausstellung an.
Holger Walleck verrät auf seinen hellen Bildern viel über seine Kindheit: Da taucht die Elbe seines Geburtsorts Hamburg auf, Hund und Katze, Wald, Kleingarten. „Durch das Medium der Kunst werden Erinnerungen vergegenwärtigt – das Malen ist ein Dialog mit dem Bild und mit mir selber“, erzählt Walleck im Gespräch. „Das Collagierte steht bei den Bildern im Vordergrund, die verschiedene Erinnerungen vereinen. Die Bilder sollen auch die Fantasie des Betrachters anregen und eigene Erinnerungen hervorrufen.“
Der Künstler vereint abstrakt wirkende Farbflächen mit figurativen Formen und fügt collagenhaft Textfragmente hinzu. Beispielhaft sein Werk „Schale der Erinnerung“: Um einen großen Kopf mit geschlossenen Augen gruppieren sich skizzenhafte Motive wie Blume, Haus, Hund oder Vogel so wie deutlich lesbar der Satz „Es gibt keinen Weg zurück“ – wie eine rückblickende Quintessenz, das Leben zu akzeptieren, wie es war und ist.
Strukturen aus Nähgarn
Charlotte Geister bringt in ihre Bilder Strukturen aus Nähgarn ein. „Seit zwei Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema Erinnerungen und stelle neue Arbeiten vor“, erzählt Geister. „In meinen Bildern arbeite ich mit Schichten, weil auch Erinnerungen wie Schichten übereinander liegen.“
Ihre Serie „Kein Kinderspiel“ setzt sich mit der Kindheit auseinander: Das Bild „Flora“ kombiniert Zeichnungen von Blüten wie in einem Schulheft mit aus Nähgarn gebildeten Linien. Das Bild „ABC“ besteht aus schwarzen Buchstaben, blutroten Nähgarn-Linien, einem durchscheinenden, karierten Papier und einer Kinderzeichnung. Von Poesie durchdrungen ist ihre Serie „Im Versteck“. Die vier Kunstwerke wirken dreidimensional schwebend. Als Basis dient ein mit Gespür für Farben gefärbtes Papier in leuchtendem Rot, dezentem Violett sowie Blau und Grün. Darauf ist ein papiernes Kleid gelegt, dass ein Kind symbolisiert. Darüber ist eine Schicht aus transparentem Organza-Gewebe gelegt, in das florale Formen wie Blätter und Blüten gestickt sind. Eine Kunst gewordene Geschichte, die davon erzählt, wie sich ein Kind hinter Jasmin-Pflanzen versteckt.
Objekte ergänzen Bilder
Beide Künstler ergänzen ihre Bilder durch Objekte. Geister zeigt beispielsweise ein von der Decke hängendes „Wolkenkuckucksheim“ aus Holz, Federn, Papier und Zinnfiguren. Walleck präsentiert Fundgegenstände auf einem Kalksandstein. Zum Beispiel symbolisieren eine Kartoffel und eine Rohrzange sein Vater-Sohn-Verhältnis.
Die Werke der beiden Künstler berühren den Besucher der Ausstellung: Plötzlich tauchen eigene Kindheitserinnerungen auf. Die große Kunst dieser Bilder ist es, den Betrachter auf einer emotionalen und persönlichen Ebene zu erreichen.
Info Die Ausstellung ist bis zum 15. März 2020 zu.sehen in der Torhaus-Galerie, Kasseler Landstraße 1, Göttingen.
Öffnungszeiten: freitags bis sonntags, jeweils von 15 bis 17 Uhr.
ZUM FOTO: Ausstellungseröffnung in der Torhaus-Galerie: Einführung von Hans-Jürgen Leffler (l.) mit Johanna Diener (Musik) sowie Holger Walleck und Charlotte Geister (v.l.).
FOTO: RICHTER
09.01.2018
Spannende Herausforderung
Holger Walleck zeigt Ausstellung »Was uns umgibt« im Neuen Rathaus
Mit »Was uns umgibt« ist jetzt die vierte Ausstellung der Reihe »arthouse im Rathaus« eröffnet worden. Im ersten Stock des Neuen Rathauses zeigt Holger Walleck aus Göttingen mehr als 30 Bilder.
Einbeck. Bürgermeisterin Dr. Sabine Michalek hieß die Besucher der Ausstellungseröffnung willkommen. Die Reihe, erinnerte sie, sei ist aus einer Kooperation von DAA und Stadtverwaltung entstanden: Die langen Flure sollten genutzt und belebt werden, nicht nur um Akten von A nach B zu tragen, sondern Künstler sollten die Gelegenheit bekommen, ihre Arbeiten zu zeigen. Somit soll das Rathaus zu einem Ort der Begegnung – über die reine Verwaltungstätigkeit hinaus – werden.
Der Kontakt zu Holger Walleck ist durch einen Besuch des Künstlers vor Ort entstanden. Seine Frage, ob er hier ausstellen könne, wurde positiv beantwortet, und er hat das Angebot gern angenommen. Unkompliziert und schnell sei das möglich geworden, berichtete er. »Was uns umgibt« zeige eine persönliche Auswahl zum Thema: Blumen, Tiere, Menschen, Landschaften, Begegnungen. Die Motive seien dabei nicht immer wirklichkeitsgetreu, sondern teilweise hochabstrahiert. Die Bildsprache solle sich verselbstständigen und für sich sprechen. Beispielhaft deutlich machte er das am Bild »Im Hafen«, auf dem viel zu sehen sei. Unten Grüntöne, darüber wird es rötlich, dazwischen lässt sich ein Horizont erahnen, Linien gehen in die Tiefe. »Die Idee entsteht beim Malen«, verriet er. In Hamburg sei er groß geworden, und so seien während des Malens viele Erinnerungen eingeflossen. »Das ist das, was mich tatsächlich umgeben hat. Die Erinnerung formt mich, sie ist präsent.« Wichtig waren ihm in diesem Fall eine Abgrenzung, aber auch eine Fläche ohne inhaltliche Bedeutung. Daneben gibt es ganz Konkretes aus dem Hafen: Duckdalben, an denen Schiffe festgemacht werden, eine Kaimauer, im Hintergrund die Silhouette einer Raffinerie, die Dinge die formal wichtig sind.
Der Malprozess spiele sich, so Walleck, bei ihm aus dem Zufall heraus ab. Zugleich werde er aber auch konkret gelenkt. So könne er mit formalen Mitteln spielen und mit negativen und positiven Formen. Vieles werde eher spielerisch entwickelt, was er vor Pflanzenbildern erläuterte. Somit gebe es viel zu entdecken, »und im Bestfall denken die Betrachter weiter darüber nach.«
Er halte Dinge fest, die ihn umgeben und beschäftigen würden, und er gehe der Frage nach: »Was macht uns aus?« Inhalte und Formales seien ihm wichtig. Vor einer weißen Fläche zu stehen und anzufangen, das sei eine große Herausforderung für ihn, schön und spannungsvoll zugleich. Das, was er schaffe, müsse »ein Ganzes geben«. Er setze dabei auch Motive zusammen, die möglicherweise gar nicht zueinander passen würden – als Anleitung zu neuem Sehen. »Vielleicht passiert was, vielleicht auch nicht.«
Holger Walleck wurde 1952 in Hamburg geboren. Von 1968 bis 1971 hat er eine Ausbildung als Graphischer Zeichner in einer Werbeagentur und einem Lübecker Verlag absolviert. Ein Kunststudium mit Schwerpunkt Malerei bei Hermann Albert, Roland Dörfler, Lienhard von Monkiewitsch und Klaus Stümpel an der Hochschule für Bildende Künste, Braunschweig, schloss sich an. Seit 1981 ist er lehrend und unterrichtend tätig, und er arbeitet als freischaffender Künstler. Dem Bundesverband Bildender Künstler gehört er seit 1992 an.
Holger Walleck arbeitet mit verschiedenen Techniken: mit Acryl auf Papier, Büttenpapier oder Leinwand, in Mischtechnik oder in Aquarell. Unter dem Ausstellungstitel hat er Bilder zusammengestellt, die davon berichten, dass er gern malt beziehungsweise sich mit Pinsel und Farbe ausdrückt. Die Bilder verweisen auf Beobachtungen, sie verarbeiten aber auch Assoziationen und Erinnerungen. So sind sie inhaltlich nicht immer ganz eindeutig und für einen Außenstehenden mitunter rätselhaft. Als »expressiv« oder »surreal« würde er sie selbst beschreiben. Bei der Gestaltung bewegt er sich zwischen Dynamik und Ruhe, zwischen Spannung und Ausgewogenheit.
Die Ausstellung kann bis zum 4. Februar während der regulären Öffnungszeiten des Neuen Rathauses besichtigt werden.
Nähe und Distanz
Das Marienkrankenhaus zeigt Bilder von Holger Walleck
HNA Kassel-Nord
15 Jun 2016
VON YVONNE ALBRECHT
Foto: Albrecht Voller Andeutungen: Bild von Holger Walleck.
KASSEL. In starken Formen und mit kräftigem Pinselstrich hat der Göttinger Künstler Holger Walleck (64) seine überwiegend in Acryl gemalten Bilder komponiert. Diese sind nun im Foyer des Kasseler Marienkrankenhauses in der Ausstellung „Außenräume – Innenwelten“zu sehen.
Dabei bewegt sich Wallecks Malerei zwischen Abstraktem und Konkretem, scheinbar Banalem. Alltagssituationen wie das Kochen „Am Kochtopf“werden genauso eingefangen wie tiefgründig-fantasievolle Momente: So zeigt das Bild „Balance“in wild-expressionistischem Stil eine Leiche, die in unwegsamer Umgebung auf einem toten Ast balanciert. In der Landschaft sind Bäume angedeutet, die vom Sturm ausgezehrt sind. Ein Toter, der in abgestorbener Umgebung versucht, die Balance zu halten. Ein anderes Werk bildet Männer ab, die einen Sarg zu Grabe tragen, während schwarze Käfer auf diese zukrabbeln.
So lebt Wallecks Kunst von Kontrasten. Neben der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Tod in Pastellfarben hängen bunte Bilder von lieblichen Blumen- und Tiermotiven. Ein Liebespaar umarmt sich selbstverloren in surrealer Umgebung, während über ihm ein Teufelchen sitzt und auf den richtigen Augenblick für eine Intrige wartet.
Gesichter von Menschen sucht man hier vergeblich, Wallecks Werk lebt von Andeutungen, vom Exemplarischen. Die dargestellten Menschen sind alle und niemand. Das schafft Nähe und Distanz zugleich, ermöglicht Identifikation und Verfremdung. Dabei überzeugen vor allem die prozesshaft-assoziativ angefertigten Bilder, welche für die „Innenwelten“des 1952 in Hamburg geborenen Künstlers stehen. Diese zeugen von starker Ausdruckskraft und Symbolik.
Die Bilder von Holger Walleck sind bis September 2016 im Foyer des Kasseler Marienkrankenhauses, Marburger Straße 85, zu sehen.
„Künstler und ihre Ateliers“: Holger Walleck Bilder, die zugleich Sinnbilder sind
Zahlreiche ambitionierte Künstler haben sich in Südniedersachsen angesiedelt. Wir besuchen sie in ihren Ateliers und stellen sie und ihre Arbeit in einer Tageblatt-Serie vor.
Artikel veröffentlicht: Donnerstag, 20.08.2015 22:59 Uhr
Artikel aktualisiert: Sonntag, 23.08.2015 00:26 Uhr
Foto: In seinem wohnlichen Atelier: der Maler Holger Walleck.
Quelle: Hinzmann
Nikolausberg. Ein Schlamm verspritztes Motorrad scheint förmlich aus der Leinwand zu springen. Fast poetisch mutet hingegen ein abstraktes Bild in pastelligen Tönen an. „Kein Fass aufmachen“ ist auf einer farbintensiven Collage zu lesen. Tiere sind auf den Leinwänden zu finden, und Menschen, die sich begegnen. Bilder in ganz unterschiedlichen Formaten lehnen an den Wänden, in einem zweiten Raum um ein Sofa herum sind es viele mehr. Farben stehen auf einem Arbeitswagen, Malerutensilien wie Stifte, Pinsel und Tuben in einer Regalwand. Auf dem Arbeitstisch liegt eine Tischdecke, Kaffee und Kuchen stehen bereit. Das Atelier von Holger Walleck in Nikolausberg ist sehr ordentlich und wohnlich.
Nach einer Ausbildung zum grafischen Zeichner hat der gebürtige Hamburger Kunstpädagogik und Freie Kunst mit Schwerpunkt Malerei an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und Philosophie an der TU Braunschweig studiert. Während der Studienzeit seien Impressionisten sein Vorbild gewesen, seine Malerei naturalistisch und die Farben zurückhaltend, erzählt Walleck, der seit 1983 Kunstlehrer am Göttinger Hainberggymnasium ist. „Nach einem großen Bruch“, bedingt durch Beruf und familiäre Kindererziehung sei er 1988 „wieder eingestiegen“ in die Malerei, nun farbkräftig und expressionistisch.
Eine eigene Bildwelt macht Walleck für die jeweilige Lebensphase aus. Aktuell seien seine Arbeiten zurückhaltender und auch spielerischer geworden. Heute male er eher mit Acrylfarben, Akzente setzen Ölfarben, die eine größere Leuchtkraft besitzen. Dazu kommt alles, womit sich auf Papier arbeiten lässt von Haushaltsöl über Kronkorken bis zu Erdfarben.
Was ist dem Bildenden Künstler, der in der vergangenen Dekade mitunter mehrere Ausstellungen pro Jahr hatte, wichtig? „Ich mache mir Bilder, die zugleich Sinnbilder sind“, sagt Walleck. Es gehe ihm nicht nur darum, etwas zu erfassen, sondern um eine komplexe Vorgehensweise, die Emotionales, Erinnerungen, Vorstellungen und Wertungen umfasst. „Malerei ist ein Medium mit dem ich kommuniziere, aufnehme und frage, auch mich selbst.“ Und: „Sich zurückziehen und sich sortieren in meinen Bildern ist seit der Kindheit überlebenswichtig.“
Inhaltlich geht es dem 63-Jährigen um fundamentale Fragen wie: Was ist eigentlich Leben? Wer sind wir? Was ist wichtig? Formal geht es ihm darum, eine schlüssige Komposition zu entwickeln und mit Widersprüchen und Kontrasten zu einem Ganzen zu verbinden. Und wo soll es künstlerisch hingehen? Eventuell Großformatiges, andere Techniken ausprobieren und Plastisch arbeiten, kann Walleck sich vorstellen. „Ich habe nicht unbedingt ein bildnerisches Anliegen. Die Malerei begleitet mich ein Leben lang und so wird es auch weitergehen.“
Von Karola Hoffmann